Energiezukunft Wasserstoff - Von der Vision zur Realität
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- 1. Juli
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ONTRAS Gastransport GmbH nimmt erste Wasserstoff-Leitung in Betrieb

Mit der Energiewende verfolgen wir das Ziel, einer klimaneutralen Zukunft und Wasserstoff ist einer der wichtigen Bausteine auf dem Weg dorthin. Der Ausbau eines über 9.000 Kilometer langen Wasserstoffnetzes bis zum Jahr 2032 ist bereits besiegelt. Die Genehmigung dafür erteilte die Bundesnetzagentur im Jahr 2024 und beschloss somit den Bau eines modernen Transportleitungssystems für Wasserstoff – das Wasserstoff-Kernnetz.
Zur Realisierung dieser umfangreichen Infrastrukturmaßnahme, die mit einem Investitionsvolumen von 19 Milliarden Euro kalkuliert wird, braucht es die Expertise erfahrener Fernleitungsnetzbetreiber, wie ONTRAS. Mit dem Neubau und der Umstellung bestehender Transportleitungen, die innerhalb des Netzgebietes von ONTRAS unterirdisch durch Ost- und Mitteldeutschland verlaufen, wird die flächendeckende Wasserstoffversorgung, beispielsweise für Industrien oder Raffinerien der Stahl- oder Chemiebranche, in die Realität umgesetzt.
Ein Meilenstein: erste Wasserstoffleitung in Ostdeutschland
Die ersten 25 Kilometer des Wasserstoff-Kernnetzes in Ostdeutschland hat ONTRAS bereits im April dieses Jahres realisiert. Im Energiepark Bad Lauchstädt wurde durch die Umstellung einer ehemaligen Erdgas-Pipeline aus den 70er Jahren, erstmals eine Wasserstofftransportleitung in Betrieb genommen. Mit der erfolgreichen Umsetzung konnte bewiesen werden, dass wir mit den heutigen technischen Mitteln in der Lage sind, die bestehenden Erdgas-Transportleitungen nach und nach umzustellen. Warum ist das wichtig? Gegenüber den Neubaumaßnahmen, die innerhalb des ONTRAS-Netzgebiets nur zu 20 Prozent notwendig werden, ist die Umstellung vorhandener Leitungen deutlich schneller, günstiger und somit nachhaltiger möglich.

Das Reallabor der Energiewende
Der Energiepark Bad Lauchstädt, wurde im Jahr 2019 als Gemeinschaftsprojekt gestartet, um beispielhaft die gesamte Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff abzubilden. Gefördert wird das Projekt, in dem insgesamt sieben Kooperationspartner involviert sind, durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Beteiligt an der Realisierung sind VNG AG, VNG Handel & Vertrieb GmbH, VNG Gasspeicher GmbH, Uniper, Terrawatt Planungsgesellschaft mbH, DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg und ONTRAS Gastransport GmbH.

Der Energiepark im Saalekreis in Sachsen-Anhalt verbindet nach seiner Fertigstellung acht Windräder mit einem dazugehörigen Umspannwerk, einen Großelektrolyseur zur Herstellung von grünem Wasserstoff und einem dazugehörigen unterirdischen Speicher. Der Energiepark bildet damit die gesamte Wertschöpfungskette von grünem Wasserstoff ab.

Der Augenblick der Umstellung
Um den Wasserstofftransport in Bad Lauchstädt Wirklichkeit werden zu lassen, waren umfangreiche Vorarbeiten, enge Abstimmungen mit Behörden und Gutachtern sowie technologisches Know-how erforderlich. Nach einer positiv ausfallenden Vorprüfung wurde die umzustellende Erdgasleitung als „H2-ready“ eingestuft. Die seit vielen Jahrzehnten im Einsatz befindliche, auch für Stadtgas genutzte Leitung, erwies sich jedoch als sehr hartnäckig: Im Vorfeld waren 22 Reinigungsläufe notwendig, bei denen etwa 2000 Kilogramm Ablagerungen entfernt wurden. Unter Einsatz von Spezialgeräten, unter anderem einem sogenannten Molch, erfolgte die Reinigung und Prüfung auf Korrosionsstellen und mögliche Rissfelder.
Eine der zentralen Herausforderungen im Rahmen der Realisierung der Umstellung war die Auswahl geeigneter Fachunternehmen, die in der Lage waren, den Wasserstoff für die Erstinbetriebnahme zu liefern und das in der Leitung befindliche Gas sicher und fachgerecht abzufackeln. Um das Gas innerhalb der Pipeline umzustellen, wird die Leitung gespült. Dabei wird das ursprünglich enthaltene Erdgas nach und nach durch Wassersoff verdrängt. Um den Vorgang zu überwachen und das verdrängte Gas sicher zu entsorgen, ist das Entzünden einer Fackel die sicherste und umweltverträglichste Methode.
Die Inbetriebnahme in Zahlen
Die Leitung wurde im Zuge der Umstellung drucklos mit einer Fließgeschwindigkeit von 3 bis 4 m/s gespült. Dafür wurden zwei 380-Bar-Trailer mit jeweils 10.000 m³ Wasserstoff eingesetzt.
Für das Spülen und die anschließende Auflastung der Leitung mit dem, in den Trailern verfügbaren Wasserstoff, waren ursprünglich zwei Tage eingeplant. Durch die optimierte Fahrweise der Wasserstofftrailer konnte dieser Vorgang jedoch auf einen Tag reduziert werden. Die erfolgreiche Abnahme der Leitung durch Sachverständige erfolgte unmittelbar danach. Auch die anschließende sicherheitstechnische Begehung zur Leckage-Prüfung wurde äußerst zufriedenstellend abgeschlossen.
Seit dem 8. April 2025 ist die Ferngasleitung (FGL) 701 mit 1,6 bar Wasserstoff offiziell in Betrieb. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2025 soll mit der Fertigstellung der Gas-Druckregel- und Messanlage sowie des Großelektrolyseurs im Energiepark Bad Lauchstädt der Regelbetrieb und damit einhergehend der kommerzielle Wasserstofftransport nach Leuna aufgenommen werden.
Wertvolle Erfahrungen für die Zukunft
Die Umstellung von Erdgasleitungen auf den Betrieb mit Wasserstoff stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar, die präzise Planung und umfangreiche technische Prüfungen erfordert.
Die 25 Kilometer lange Wasserstoffleitung von Bad Lauchstädt nach Leuna markiert den Startpunkt für eine nachhaltige Wasserstoff-Transportinfrastruktur in Ost- und Mitteldeutschland. Die Erkenntnisse, die unter anderem im Rahmen der Pilotprojekte im Energiepark Bad Lauchstädt gewonnen wurden, schaffen die technischen Voraussetzungen für den Auf- und Ausbau des deutschlandweiten Wasserstoff-Kernnetzes. Dabei zeigt sich exemplarisch, wie komplex, interdisziplinär und sicherheitsrelevant die Transformation bestehender Infrastrukturen auf den Wasserstoffbetrieb ist – und wie unerlässlich die enge Zusammenarbeit aller Partner in diesem innovativen Bereich bleibt.
Dieser Beitrag entstand in enger Zusammenarbeit mit Franziska Rieger von der ONTRAS Gastransport GmbH.